Is' was, Doc?
Oder: Ein innenarchitektonischer Streifzug durch diverse Wartezimmer
Unlängst lieferte mir Amazon mal wieder einen Beweis, dass seine Gründe, Empfehlungen auszusprechen – ohnehin eine äußerst fragwürdige Angelegenheit –, tatsächlich unergründlich sind, als man mir den Ratgeber „Qualitätsmanagement in der eigenen Arztpraxis“ ans Herz legte. Jetzt bin ich kein Mediziner, nichts liegt mir folglich ferner, als eine eigene Praxis zu eröffnen. Trotzdem (und das liefert fast schon wieder den Beweis, dass die Empfehlungen aus Marketing-Sicht vielleicht doch die richtige Strategie darstellen) war ich für einen kurzen Moment versucht, dieses sicherlich grandiose Werk der Ratgeberliteratur aus reiner Neugier zu bestellen. Ich meine – was da wohl drinsteht? Man ist ja in seinem Leben in diversen Arztpraxen zu Gast… Ob die dort praktizierenden Ärzte wohl einen solchen Ratgeber zur Hand hatte, als es z.B. um die Einrichtung des Wartezimmers ging? Ich kann es mir kaum vorstellen…
Zahnärzte scheinen beispielsweise eine Vorliebe für Fototapeten zu haben. Ganze Wände werden da verklebt mit Ansichten von herbstlichen Wäldern oder begrünten Alleen im Abendrot. Dem Betrachter sollen diese Naturimpressionen wahrscheinlich sagen: „Entspann dich! Hier geht alles seinen natürlichen Gang. Stell dir vor, du wärst dort – wo ein sanfter Wind weht, der das bunte Laub zu deinen Füßen leise rascheln lässt.“ Die Idee mag ja ganz nett sein – schließlich ist der Zahnarzt einer der gefürchtetsten unter den Medizinern. Aber was helfen die guten Vorsätze, die Suggestionen von Natur, wenn aus dem Behandlungszimmer das fiese Surren des Bohrers ins Wartezimmer hinausschalmeit. Und dann ist da noch der Geruch, dieser böse Hier-ist-alles-steril-Geruch, der dir unmissverständlich in Erinnerung ruft, wo du bist und was da auf dich zukommt. So verwandelt die Fototapete das Wartezimmer zu einem zum Raum gewordenen Paradoxon – und da soll man sich entspannen?!
Eine ganz andere Wartezimmer-Mentalität offenbaren da Hautärzte. Hier wird nicht beruhigt, sondern knallhart aufgeklärt. Wartend sitzt man hier unter diversen Postern zur Hautkrebsfrüherkennung, bekommt erklärt wie man Hautflechten von –pilzen unterscheiden kann usw. Da wird einem jedes Mal ganz anders, wenn ein neuer Patient den Raum betritt und sich ausgerechnet auf dem freien Stuhl neben einem niederlässt. Bitte behalten Sie ihre parasitären Hautkrankheiten für sich – danke! Ich würde jetzt gerne eine Fototapete anstarren!
Auf noch gemeinere Art und Weise verfolgte übrigens mein HNO-Arzt, in dessen Praxis ich aufgrund meiner empfindlichen Gehörgänge einen nicht unerheblichen Teil meiner Kindheit verbrachte, diese Ich-klär-dich-auf-ob-du-willst-oder-nicht-Strategie: Das Wartezimmer erschien recht harmlos – wenn man ein überkommenes 70er-Jahre-Braun und mindestens drei Monate alte Ausgaben von Bunte, Stern und Brigitte denn als harmlos bezeichnen möchte. Aber dann wurde man in eines der drei Sprechzimmer gerufen, wo man, bereits auf dem Behandlungsstuhl sitzend, noch mindestens 100 Jahre auf das Erscheinen des Arztes warten musste. Die Sprechzimmer unterschieden sich thematisch: Es gab die Nase, den Hals und das Ohr. Im Wartezimmer hatte man wohl deshalb auf das Aufhängen medizinischer Aufklärungsposter verzichtet, damit man ausreichend Stoff zum Zutapezieren der Sprechzimmer hatte. Egal wo man hinsah – überall Querschnitte der menschlichen Hör- und Atmungsorgane. Und blickte man lieber bescheiden neben sich, so standen dort kleine Schränkchen mit allen möglichen meist lang und spitz aussehenden Gerätschaften, die auch in einer mittelalterlichen Folterkammer eine gute Figur abgegeben hätten. Aaaah – Hilfe!
Das bislang schönste Wartezimmer besitzt meine aktuelle Hausärztin (denn auch der Öko-Wohnzimmer-Stil meines Homöopathen, zu dem ich jetzt ohnehin nicht mehr gehen darf, weil ich nur noch schnöder Kassenpatient bin, traf m.E. nicht ganz den richtigen Ton): hell, viel Holz, zwei zeitlose IKEA-Zweisitzersofas, ein paar Stühle, Zeitschriften und große Zimmerpflanzen. Unaufdringlich, hübsch, dem Anlass angemessen – wenn ich bloß nicht hätte inmitten des Grünzeugs dumm herumstehen müssen, weil die Sitzgelegenheiten nicht ausreichten. Es gibt doch immer etwas zu bemängeln.
Deshalb empfehle ich Medizinern im Chor mit Amazon den Ratgeber „Qualitätsmanagement in der eigenen Praxis“- in der Hoffnung, sie mögen sich das Kapitel „Wie gestalte ich das Wartezimmer“ genauestens zu Gemüte führen. Sollte es ein solches Kapitel geben.
Unlängst lieferte mir Amazon mal wieder einen Beweis, dass seine Gründe, Empfehlungen auszusprechen – ohnehin eine äußerst fragwürdige Angelegenheit –, tatsächlich unergründlich sind, als man mir den Ratgeber „Qualitätsmanagement in der eigenen Arztpraxis“ ans Herz legte. Jetzt bin ich kein Mediziner, nichts liegt mir folglich ferner, als eine eigene Praxis zu eröffnen. Trotzdem (und das liefert fast schon wieder den Beweis, dass die Empfehlungen aus Marketing-Sicht vielleicht doch die richtige Strategie darstellen) war ich für einen kurzen Moment versucht, dieses sicherlich grandiose Werk der Ratgeberliteratur aus reiner Neugier zu bestellen. Ich meine – was da wohl drinsteht? Man ist ja in seinem Leben in diversen Arztpraxen zu Gast… Ob die dort praktizierenden Ärzte wohl einen solchen Ratgeber zur Hand hatte, als es z.B. um die Einrichtung des Wartezimmers ging? Ich kann es mir kaum vorstellen…
Zahnärzte scheinen beispielsweise eine Vorliebe für Fototapeten zu haben. Ganze Wände werden da verklebt mit Ansichten von herbstlichen Wäldern oder begrünten Alleen im Abendrot. Dem Betrachter sollen diese Naturimpressionen wahrscheinlich sagen: „Entspann dich! Hier geht alles seinen natürlichen Gang. Stell dir vor, du wärst dort – wo ein sanfter Wind weht, der das bunte Laub zu deinen Füßen leise rascheln lässt.“ Die Idee mag ja ganz nett sein – schließlich ist der Zahnarzt einer der gefürchtetsten unter den Medizinern. Aber was helfen die guten Vorsätze, die Suggestionen von Natur, wenn aus dem Behandlungszimmer das fiese Surren des Bohrers ins Wartezimmer hinausschalmeit. Und dann ist da noch der Geruch, dieser böse Hier-ist-alles-steril-Geruch, der dir unmissverständlich in Erinnerung ruft, wo du bist und was da auf dich zukommt. So verwandelt die Fototapete das Wartezimmer zu einem zum Raum gewordenen Paradoxon – und da soll man sich entspannen?!
Eine ganz andere Wartezimmer-Mentalität offenbaren da Hautärzte. Hier wird nicht beruhigt, sondern knallhart aufgeklärt. Wartend sitzt man hier unter diversen Postern zur Hautkrebsfrüherkennung, bekommt erklärt wie man Hautflechten von –pilzen unterscheiden kann usw. Da wird einem jedes Mal ganz anders, wenn ein neuer Patient den Raum betritt und sich ausgerechnet auf dem freien Stuhl neben einem niederlässt. Bitte behalten Sie ihre parasitären Hautkrankheiten für sich – danke! Ich würde jetzt gerne eine Fototapete anstarren!
Auf noch gemeinere Art und Weise verfolgte übrigens mein HNO-Arzt, in dessen Praxis ich aufgrund meiner empfindlichen Gehörgänge einen nicht unerheblichen Teil meiner Kindheit verbrachte, diese Ich-klär-dich-auf-ob-du-willst-oder-nicht-Strategie: Das Wartezimmer erschien recht harmlos – wenn man ein überkommenes 70er-Jahre-Braun und mindestens drei Monate alte Ausgaben von Bunte, Stern und Brigitte denn als harmlos bezeichnen möchte. Aber dann wurde man in eines der drei Sprechzimmer gerufen, wo man, bereits auf dem Behandlungsstuhl sitzend, noch mindestens 100 Jahre auf das Erscheinen des Arztes warten musste. Die Sprechzimmer unterschieden sich thematisch: Es gab die Nase, den Hals und das Ohr. Im Wartezimmer hatte man wohl deshalb auf das Aufhängen medizinischer Aufklärungsposter verzichtet, damit man ausreichend Stoff zum Zutapezieren der Sprechzimmer hatte. Egal wo man hinsah – überall Querschnitte der menschlichen Hör- und Atmungsorgane. Und blickte man lieber bescheiden neben sich, so standen dort kleine Schränkchen mit allen möglichen meist lang und spitz aussehenden Gerätschaften, die auch in einer mittelalterlichen Folterkammer eine gute Figur abgegeben hätten. Aaaah – Hilfe!
Das bislang schönste Wartezimmer besitzt meine aktuelle Hausärztin (denn auch der Öko-Wohnzimmer-Stil meines Homöopathen, zu dem ich jetzt ohnehin nicht mehr gehen darf, weil ich nur noch schnöder Kassenpatient bin, traf m.E. nicht ganz den richtigen Ton): hell, viel Holz, zwei zeitlose IKEA-Zweisitzersofas, ein paar Stühle, Zeitschriften und große Zimmerpflanzen. Unaufdringlich, hübsch, dem Anlass angemessen – wenn ich bloß nicht hätte inmitten des Grünzeugs dumm herumstehen müssen, weil die Sitzgelegenheiten nicht ausreichten. Es gibt doch immer etwas zu bemängeln.
Deshalb empfehle ich Medizinern im Chor mit Amazon den Ratgeber „Qualitätsmanagement in der eigenen Praxis“- in der Hoffnung, sie mögen sich das Kapitel „Wie gestalte ich das Wartezimmer“ genauestens zu Gemüte führen. Sollte es ein solches Kapitel geben.
DieKäthe - 19. Okt, 19:50